Heute möchte ich ein wenig aus meinem Privatleben berichten und wie ich versuche, es zu einer für mich erstrebenswerteren Form zu führen. Übrigens impliziert erstrebenswerter für mich insbesondere naturverbundener, woraus indirekt auch “gesünder” und “ausgeglichener” folgt.
Die größte und wichtigste Herausforderung...
...eines Menschen zu einem glücklicheren und erfüllten Leben ist meiner Überzeugung nach, dass er/sie sein Leben nach den eigenen Idealen lebt. Wie, das war’s schon? Ja. Auch wenn der Satz trivial klingt, ist er gar nicht so einfach umzusetzen. Wohin man auch schaut, mit wem auch immer man sich unterhält, die meisten Probleme der Erdenbewohner sind hausgemacht in dem Sinne, dass es eine zu große Diskrepanz gibt zwischen (1) dem was man als erstrebenswert und als sein Idealleben erachtet und (2) dem was man tatsächlich lebt. Eine solche “Lebens-Diskrepanz” in gesunden Maßen (wie immer) ist nicht schädlich sondern führt dazu, dass der Mensch sich auf einem gesunden Pfad seinen Zielen nach weiterentwickelt. Ein Mensch mit einer zu großen Lebens-Diskrepanz ist jedoch selten glücklich, denn er muss sich ständig messen mit seinen Idealen die ach so hoch hängen und feststellen, dass er stetig daran scheitert sich ihnen anzunähern.
Eine Lebens-Diskrepanz kann interne und externe Ursachen haben. Gegen beide Arten können wir etwas unternehmen: Als interne Ursache bezeichne ich beispielsweise ein übertrieben hohes Ansiedeln der Ideale, die jedes Erreichen von vornherein ausschließen oder frustrierend unrealistisch machen. Der innere Schweinehund ist eine weitere innere Ursache. Diese Ursachen haben wir direkt selbst in der Hand, indem wir das Problem erkennen und unsere Einstellung zum Problem ändern: den Schweinehund überwinden oder unsere Erwartungen niedriger ansiedeln.
Externe Ursachen sind erst einmal bestimmt durch äußere Einflussfaktoren und nicht durch uns selbst: Die Menschen um uns herum, Freunde, Familie, unsere Arbeit, die Gesellschaft mit ihren Erwartungen und sozialen Normen, aber auch die (technologischen) Möglichkeiten der Zeit. All dies beeinflusst sowohl die Art wie wir Leben (wir verbringen Freizeit am PC/vor dem TV und weniger in geselligen Runden mit Gesellschaftsspielen, fahren mit dem Auto/dem Bus/der Bahn zur Arbeit und gehen weniger zu Fuß) als auch unsere Normen und Werte, Ideale und Ziele. Dies kann zur Folge haben, dass (1) wir wegen äußerer Einflüsse davon abgehalten werden unseren Idealen und Zielen nachzugehen oder (2) sich wegen der äußeren Einflüsse unsere Ideale und Ziele in das Unwirkliche verschieben. Im Allgemeinen kann man externe Ursachen lösen, indem man sich von diesen äußeren Einflussfaktoren unabhängiger macht, mit ihnen Kompromisse aushandelt oder, falls dies nicht möglich ist, sich gänzlich von ihnen löst. Dies ist in manchen Situationen sicher sehr schwierig, beispielsweise falls die Arbeitsstelle der Hauptgrund dafür ist, dass man seinen Zielen nicht folgt. Von Beispielen für solche extremen Loslösungen von der Gesellschaft liest man immer wieder und hört sich in meinen Ohren zwar sehr verlockend an, ist jedoch sicherlich mit vielen Nachteilen verbunden. Für mich scheint ein Kompromiss erstrebenswerter.
Ich möchte meine Situation anhand zweier Grafiken verdeutlichen:


Die Gründe
Kurz zusammengefasst ist meine Lebens-Diskrepanz größtenteils bedingt durch die fehlerhafte Priorisierung von “PC/Internet” und “Leben ohne PC”. Diese Diskrepanz vermittelt mir über lange Zeiträume das Gefühl, dass ich meine Zeit verschwende und nicht hundertprozentig das richtige mit meinem Leben anfange. Ich tue viele Dinge, um meinen Idealen nachzueifern (Menschen helfen, der Menschheit etwas gutes tun/sie weiterbringen), aber dabei bleibt meine eigene Entfaltung und Sehnsüchte größtenteils auf der Strecke (mehr Nähe zur Natur, wandern, ein paar einsame Stunden). Die Ursachen sind eine Mischung aus internen und externen Faktoren, wobei die externen Faktoren überwiegen: Zu den internen Faktoren zähle ich Introvertiertheit und der daraus folgende Schweinehund. Die gewichtigen externen Faktoren sind die Art wie unsere Gesellschaft funktioniert und welche Formen sie heute annimmt. Alles ist jetzt schon und wird immer bequemer gestaltet (Transportmittel verleiten zu weniger körperlicher Bewegung), das Internet als soziales Medium verleitet dazu, weniger nach draußen zu gehen und Menschen in der Realität zu treffen, insgesamt haben alle technologischen Errungenschaften wie der PC, das Internet, Spielekonsolen einen hohen Suchtfaktor. Letzteres ist für mich der Hauptgrund, warum ich aus dem Digital-Sumpf nur schwer herauskomme: Ich bin süchtig! Und nicht nur ich, sondern auch viele Menschen um mich herum.
Aber ist das wirklich die Ursache?
Nein. Denn verfolge ich die kausale Kette weiter, muss ich mir eingestehen, dass die Gründe warum ich diesen externen Faulheits-Sucht-Gelüsten verfalle und nicht aus dem Digital-Sumpf herauskomme oft mein Stresspegel und “Hamsterradlebensstil” sind. Es gibt Wochen und Monate, da falle ich von einer Deadline zur nächsten und habe ständig das Gefühl, allem hinterher zu rennen und nichts zu 100% machen zu können. In diesen Zeiten leidet meine Gesundheit (Neurodermitis), meine soziale Aktivität (gehe nicht raus), aber auch das Gleichgewicht meiner Aktivitäten und Prioritäten. Ich verbringe in diesen Phasen wesentlich mehr Zeit am PC (nicht nur arbeitsbedingt, sondern auch weil ich dann besonders wenig Energie übrig habe um mich sozial zu aktivieren) und esse wesentlich mehr ungesunde Lebensmittel, auf die ich eigentlich laut meiner Ideale gerne verzichten würde. Doch auch das ist nicht der Kern des Problems, denn warum spanne ich mich beruflich überhaupt so ein? Dies sind ebenfalls Ideale, jedoch diejenigen, die sehr stark von der Gesellschaft/Familie indoktriniert werden, nämlich: Sei fleißig, hab Erfolg auf der Arbeit, es ist gut der Menschheit zu helfen!
Zusammengefasst: Ich verfolge in meinen Stressphasen überwiegend extern-gegebene Ideale und vernachlässige deshalb meine instinktiven und tiefen Wünsche, nämlich ein naturverbundeneres, bewussteres, PC/Internet-unabhängigeres Leben.
Mit meinem guten Freund Y. teile ich diese “Gradwanderung” zwischen den Extremen Technik und Naturverbundenheit schon seit langem. Wir arbeiten nicht nur beide im IT-Bereich, sondern wir sind auch privat leidenschaftliche Nerds. Es macht uns Spaß, mit dem PC zu basteln, neue Software/Skripte zu schreiben oder auszuprobieren. Womit wir wieder bei der Sucht wären. Wir haben beide bereits einige Ansätze ausprobiert, um beide Leidenschaften miteinander zu vereinbaren.
Für mich kristallisiert sich jedoch mehr und mehr heraus, dass beides (für mich) nicht direkt miteinander vereinbar ist. Deshalb hege ich schon seit langem den Wunsch, meine PC-Zeit zu beschneiden und mein Leben zu einer natürlicheren Weise zurückzuführen. Besser gesagt: Erstmalig hinzuführen, denn eigentlich war ich noch nie dort: Ich bin 1986 geboren und in einem nicht armen Elternhaus aufgewachsen, weshalb ich mich in der damaligen Zeit ungehindert in die Technikwelt zurückziehen konnte. Ich wuchs damit auf und suchte mir PC-affine Freunde. Nach Jahren dieser Lebensweise war und bin ich nachwievor so stark in den PC-Denkweisen verwurzelt, dass ich mich nur mit Anstrengung daraus befreien kann. Zu den Extremzeiten musste sich jede andere Aktivität stets daran messen, wie gerne ich gerade den PC oder Laptop beiseite legen wollte.
Mittlerweile beginnen sich in mir (Gott sei Dank) abseits der gedanklichen Überzeugung auch innere, unbewusste Widerstände gegen den ständigen PC-Konsum zu entwickeln. Dies umfasst beispielsweise das ständige Online-Sein in diversen Messengern, das zeitfressende Spielen von MMORPGs oder sonstigen Spielen im Multiplayer (die ja prinzipiell unendlich lange weitergespielt werden können). Die Art der Spiele die ich spiele hat sich ebenfalls geändert. Während ich früher noch Shooter, Aufbaustrategie, Rollenspiele und so ziemlich alles andere gespielt habe, was mir vor die Linse kam, beschränke ich mich nun auf (1) Indie-Titel, die in mir ein tiefes Verlangen ansprechen (meist haben sie mit Naturverbundenheit zu tun, wie zB “The Long Dark”), (2) sehr komplexe Spiele, bei denen ich nachdenken muss und die nicht nach Schema-F ablaufen und (3) Multiplayer-Titel, die ich mit realen Freunden spiele. Dies ist nur ein Aspekt meines digitalen Lebens, der sich für mich auf eine natürlichere und wichtige Art gewandelt hat.
Ein Plan
Während meines letzten Besuchs bei Y. haben wir einige dieser Aspekte diskutiert und nachdem ich mich (wieder einmal) lauthals über meine eigene Lebensweise aufgeregt habe, haben wir einen Plan aufgestellt.
Da es schwer ist, sich aus eigener Kraft aus dem PC/Internet-Sumpf zu befreien, arbeiten wir zusammen. Wir beide protokollieren und kontrollieren mithilfe von workrave, wie viel Zeit wir am jeweiligen Tag am PC verbracht haben. Dabei wird zwischen Arbeits- und Privatzeit unterschieden. Der Plan umfasst dabei für mich folgende Punkte an die ich mich jeden Tag halte:
- An Arbeitstagen beschränke ich mich auf 1,5h Freizeit am PC.
- An Nicht-Arbeitstagen verbringe ich höchstens 3h am PC.
Belohnungen (Zuckerbrot)
Für jede Stunde, die wir weniger am PC verbringen, dürfen wir am selbigen Tag (mit gutem Gewissen!) zwei Folgen Serie oder einen Film schauen.
Bestrafungen (und Peitsche)
Für jede angefangene Stunde, die wir länger am PC sitzen zahlen wir 1€ in die gemeinsame Reisekasse (heute habe ich 5€ zu zahlen).
Wie nutzen wir die neue Zeit?
Wir haben beide eine Priorisierung aufgestellt, wie wir die neugewonnene Zeit nutzen möchten. Meine umfassen auf den ersten Rängen (1) mehr soziale Unternehmungen, (2) mehr Sport, (3) mehr Natur (z.B.: Gewächshaus) und (4) mehr Lesen.
Gegenseitiger Austausch
Wir wollen uns regelmäßig austauschen, wie es läuft und woran es hapert. Um sich zu motivieren ist es wichtig, dass man gerade dann darüber spricht, wenn man scheitert. Alle zwei Wochen werden wir den Plan reevaluieren und gegebenenfalls verbessern.
Wie es bei uns beiden läuft, werdet ihr hier und auf Y.’s Blog (link folgt) bald nachlesen können! :–)